Spendier mir doch einen Kaffee
Beim Schreiben guter Texte wird mein Kaffee leider viel zu oft kalt. Hilf mir, meinen Kaffeevorrat zu füllen.
Gestern Abend vernahm ich schon das erste leise Raunen, heute Morgen ist es dann soweit. Mein Inneres Kind ruft mich, es hat ein Problem, das stresst und am fröhlich sein hindert. Eine ausstehende Nachricht strapaziert das sonnige Gemüt meines Inneren Kindes. Ein paar Wochen lang geduldete es sich Tag für Tag. Doch heute ist es soweit. Es kann seine Vorfreude kaum zügeln, kann nicht erwarten, das Notebook anzuschalten, um die Posteingänge zu checken. Noch klingt es scheinbar heiter, doch ich fühle seine heftige Anspannung.
Inneres Kind: „Ob heute eine Nachricht da ist?“
Ich: „Nein.“
Inneres Kind: „Ob dann heute eine Nachricht kommt?“
Ich: „Eher nicht.“
Das Lächeln verschwindet aus seinem Gesicht und es schaut mich von unten traurig an. Ich setze mich zu ihm, streichle ihm sanft und ganz zart den Rücken, lasse ihm Raum und Zeit für weitere Fragen.
Inneres Kind: „Aber es ist doch schon so lange her…“ Erwarungsvoll sieht es mich an.
Ich: „Ja, es ist gefühlt schon sehr lange her.“
Inneres Kind: „Aber… naja, aber eben darum! Bist du dir sicher, dass keine Nachricht da ist?“
Im Geiste fühle ich in all meine Postfächer und spüre die Gewissheit.
Ich: „Ich bin sicher. Komm, wir schauen nach.“
Gemeinsam checken wir nun meine zahlreichen Posteingänge und finden die Bestätigung: keine Post von diesem bestimmten Menschen. Brieftaube sitzt keine auf dem Fensterbrett, Flaschenpost kommt hier nicht an und der Postbote ist eher unwahrscheinlich als Überbringer der ausstehenden Nachricht.
Um eine postlose Erkenntnis reicher sitzen wir gemeinsam beieinander, ich halte mein Inneres Kind so sanft, dass es mich spürt, sich anlehnen kann und so zart, dass es Raum hat, alles zu tun, was ihm gerade wichtig scheint. Und schon springt es kurzerhand auf und läuft hin und her, redet vor sich hin und wird mit jedem Moment verstörter. Scheinbar ergibt all das, was es sich gerade hin und her erklärt, wenig oder keinen Sinn. Ich habe in den letzten Jahren begriffen, dass mein Inneres Kind (im übrigen jedes) im Ursprung seines Seins eines der weisesten und reinsten Wesen ist, das ich bisher kennengelernt habe. Jahrelange Überforderungen, Erfahrungen körperlicher, emotionaler und seelischer Grausamkeiten, Trennungen und Einsamkeiten haben es Dinge tun und zu etwas werden lassen, was nicht seiner wahren Natur entspricht. Heute ist es an mir, ihm zu ermöglichen, wieder das zu sein, was es ist: eines der weisesten und reinsten Wesen, die mir bisher begegnet sind.
So sitze ich still in der Nähe meines Inneren Kindes, das noch immer mit sich selber redet. Seine Körpersprache hat inzwischen etwas wütendes an sich. Tränen des Zorns glitzern in seinen Augen. Ich bleibe sitzen und atme weiterhin tief und ruhig, weiß ich doch, dass es zu mir kommen wird, wenn es an der Zeit ist. Nur wenige Augenblicke später dreht es sich zu mir um, Wut und Zorn sind verraucht, was bleibt ist tiefe Traurigkeit. Es kommt zu mir, bleibt vor mir stehen und schaut mich mit einem herzzerreißenden traurig-fragendem Blick an.
Inneres Kind: „Aber er hat doch versprochen, sich zu melden!“
Ich: „Ja, das hat er.“
Inneres Kind: „Wieviel Zeit braucht denn ein Mensch, um sich zu melden?“
Ich: „Manchmal Jahre.“
Mein Inneres Kind schaut mich mit großen Augen fassungslos an. „Jahre?“
Ich: „Ja. Und manchmal meldet sich ein Mensch nie.“
Inneres Kind: „Aber er hat es doch versprochen!!!!“ seine Stimme überschlägt sich fast ob dieser für ihn unfassbaren Möglichkeiten.
Ich: „Ja, das hat er. Doch ab und an sagen Menschen etwas, ohne es zu meinen. Oder sie entwickeln Ängste, die sie daran hindern, zu ihrem Gesagten zu stehen.“
Inneres Kind: „Wieso?“
Ich: „Weil manches, das Menschen spontan sagen, zwar die Botschaft ihres Herzens ist, sie jedoch, manchmal schon einen Augenblick später Angst haben vor den Konsequenzen, die es mit sich bringt, dem Herzen zu folgen.“
Schweigend setzt sich mein Inneres Kind neben mich. Nachdenklich lässt es das eben Gehörte wirken und lehnt sich dabei an meine Schulter.
Inneres Kind: „Ist aber ziemlich blöd, dass Menschen so etwas tun.“
Ich: „Hm, ja.“
Inneres Kind: „Also heißt das nicht automatisch, dass er uns nicht lieb hat?“
Ich: „Nein, nicht automatisch.“
Inneres Kind: „Hm… heißt es nicht vielleicht sogar, dass er sich nicht lieb hat?“
Ich: „Das ist gut möglich.“
Inneres Kind: „Sicher bist du dir nicht?“
Ich: „Nein. Das Leben und seine Möglichkeiten, die Menschen, sind sehr komplex. Es wäre eine Behauptung, keine Gewißheit.“
Inneres Kind: „Warum folgen Menschen nicht dem Weg ihres Herzens?“
Ich: „Weil sie ihn manchmal nicht mehr sehen können. Oder zuviel Angst haben. Weil sie den Kontakt zu sich selbst verloren haben oder sich nicht wagen, sich mehr zu vertrauen, als dem, was im Außen gesagt oder erwartet wird. Menschsein war bisher nicht ganz einfach und wenig lustig.“
An dieser Stelle nimmt das Gespräch eine spannende Wendung, doch davon lest hier mehr …