Spendier mir doch einen Kaffee
Beim Schreiben guter Texte wird mein Kaffee leider viel zu oft kalt. Hilf mir, meinen Kaffeevorrat zu füllen.
Liebe LeserInnen,
vor ein paar Tagen ließ ich Euch an einem besonderen Moment meines Lebens teilhaben und es hat Euch sehr interessiert, denn „Der Weg beginnt mit dem ersten Schritt oder Vom Scheitern“ zählt zu den bisher meistgelesensten Blogposts meiner Seite. Das überrascht mich nicht, denn das Thema Scheitern zählt wie die Themen Tod und Depressionen zu den Tabuthemen unserer Gesellschaft. Jeder erlebt es, ist in irgendeiner Form davon betroffen, doch viel zu wenige trauen sich, darüber zu reden. Das ist Irrsinn! Zu selten finden wir „Gleichgesinnte“ zum Austausch oder jemanden, der einfach nur einmal zuhört. Viele Krankheiten und Probleme der heutigen Zeit würden viel eher, leichter und sanfter Heilung und Lösung erfahren, wenn wir mehr miteinander, statt übereinander reden könnten. Doch was tun wir in der Masse? Wir tabuisieren oder unterwerfen uns der Tabuisierung, schweigen und leiden still für uns, bis es dann zum großen Knall kommt. Dann ist das Geschrei groß, vor allem von unserem Umfeld. Warum wir nicht eher was gesagt, um Hilfe gebeten oder etwas für unsere Heilung getan hätten. Eine offenkundige Doppelmoral, doch auch die ist nachvollziehbar, denn letztlich sitzen wir alle im selben Boot.
Dies soll keine Anklageschrift werden, ganz im Gegenteil. Ich möchte Euch ermutigen, Euch mit Euren Ängsten, Sorgen und all den dunklen Momenten ernstzunehmen. Gesteht Euch ein, dass Ihr solche Momente habt, egal ob in Familie, Beruf oder wo auch sonst. Hört auf zu lächeln, wenn Euch der Arsch voller Tränen steht! Gesteht Euch diese schwachen Momente zu und vor allem: lebt sie aus! Wischt Euch nicht mit hängenden Schultern müde über die Augen, um im nächsten Augenblick der Familie wie gewohnt das Essen zuzubereiten, im Job wieder Höchstleistungen zu bringen… Hört auf, stark zu spielen, wenn Ihr schwach seid. Hört auf zu denken, ohne Euch dreht sich die Familien- oder Arbeitswelt nicht weiter. Hört auf, wie Maschinen zu funktionieren, wenn Öl- und Benzinnadel schon lange im roten Bereich sind. Hört auf, irgendjemandes Idealbild von Euch oder Eurer Rolle entsprechen zu wollen, wenn Euch Körper, Geist und Eure Seele doch lautstark darauf hinweisen, dass etwas schief läuft! Glaubt mir, mit jedem Zeigen von Schwäche seid Ihr stärker als mit jedem Versuch, weiter zu funktionieren.
Ich möchte Euch ermutigen, zu Euren Befindlichkeiten zu stehen, denn sie sind Teil von Euch. Übernehmt die Verantwortung für Euch, indem Ihr es Euch und anderen eingesteht, dass Ihr gerade keine Höchstleistungen erbringen oder wie gewohnt funktionieren könnt, Euch eben mal nicht zum Lachen zumute ist, Ihr eine kleine Pause braucht. Wenn Ihr dies ehrlich und gut verständlich tut, befreit Ihr auch Euer Umfeld. Ihr enthebt die Familie und Kollegen von Euerm stillen (unbewussten) Vorwurf, sie müssten doch sehen, dass es Euch nicht gut geht, sie müssten doch endlich mal das Essen selber machen, statt sich obendrein noch zu beschweren, dass es etwas gibt, das sie gerade nicht mögen. Befreit sie von dem unausgesprochenen Vorwurf, sie sollten Euch dann wenigstens mehr anerkennen, besser bezahlen oder Euch endlich die Liebe und Aufmerksamkeit schenken, die Ihr ob Eurer so heroischen Selbstaufgabe zu verdienen glaubt. Das wird in den seltensten Fällen geschehen und wenn, wird es Euch nicht (lange) glücklicher machen. Ihr habt ein Problem, etwas, das nach Klärung verlangt. Ihr seid dafür zuständig, kein anderer. Also zeigt Euch, authentisch, mit allem, was natürlicherweise dazu gehört. Beginnt mit kleinen Schritten, bei Menschen, denen Ihr vertraut, vielleicht auch erst einmal nur im stillen Kämmerlein. Gesteht Euch ein, dass Ihr Euch schwach fühlt, gerade im Nebel steht, nicht klar seht und dann fragt Euch selbst, was der Grund dafür ist. Die Ursache, und das kann vielleicht am meisten schmerzen, liegt immer bei Euch selbst.
So hätte ich z. B. auf die Wirtschaftslage oder das Universum schimpfen können oder mir das Hirn zermartern, warum zum Geier sich so wenige für meine weltbewegenden (ja, echt!) Coachings interessieren oder dafür zahlen wollen. Nicht der richtige Standort, nicht die passende Werbung, nicht die richtigen Menschen, nicht die richtige Zeit. Bullshit! Alles ist „richtig“, in jedem Moment. „Falsch“ wird es nur dadurch, weil ich mich nicht wohlfühle damit, es nicht mein Weg ist, den ich da versuche zu gehen. Rat- und hilflos macht es immer dann, wenn wir die Verantwortung ins Außen abgeben. Es sei hier liebevoll angemerkt, dass dies oft unbewussterweise geschieht, denn wir sind als Menschen die Summe unserer Erfahrungen. Dass diese, vor allem die prägendsten, nicht immer die besten waren, liegt nun mal in der Familien- und eigenen Lebensgeschichte begründet. Doch hat letztlich jeder von uns sein Päckchen zu tragen. Allein, wie schwer wir uns damit tun, können wir mit dem Reiferwerden immer besser, schneller und immer wieder neu entscheiden. Nur müssen wir es eben auch tun.
Ich habe mir eingestanden, dass ich mein Business unternehmerisch nicht gut aufgestellt hatte, ich zu viel Zeit und Rat verschenkt habe und all meine Versuche, dies zu ändern, nicht von Erfolg gekrönt waren. Ich habe vieles versucht, was mir geraten wurde, was mir selbst an Ideen kam. Viele tolle Ideen liegen noch in der Schublade, doch keine wollte umgesetzt werden. Heute weiß ich auch, warum. Jede dieser Ideen ist nur ansatzweise meinen Lebensträumen zuträglich, die mit jedem Tag deutlicher werden. Es ist, als hätte ich versucht, mit einer Fleischerei Geld zu verdienen, um mit dem Geld das Leid aller Tiere zu bekämpfen und obendrein die meisten Waren auch noch verschenkte (ein besserer Vergleich fällt mir gerade nicht ein). Was ein Irrsinn! Ich muss gerade einmal mehr über mich lachen, wie so oft, wenn mir klar wird, dass ich mächtig auf dem Holzweg war. Ja! Ich bin gescheitert, war schwach, doch ich habe es mir eingestanden, mich ernstgenommen und das ist superwomanheldenstark! Obendrein rieselt seitdem kilogrammweise Sand aus meinem (Denk-)Getriebe, vorhangweise gehen Schleier auf und zeigen mir innere Bilder, Träume und Wünsche, die ich seit einigen Jahrzehnten und mittlerweile fast vergessen mit mir herumtrage. Schritt für Schritt eröffnen sich neue Möglichkeiten, werden ungeahnte Kräfte und Ideen in mir freigesetzt, die verrückterweise weder wirklich überraschend, noch unmöglich sind. Mein ganzes Leben, jedes scheinbare Scheitern, alles ergibt einen ganz neuen Sinn.
Und jetzt mal Hand aufs Herz: Was bittesehr ist jetzt nochmal genau so dramatisch und schlimm am Scheitern, dass es derart tabuisiert wird? Überhaupt gar nichts!!! Es sind nur all diese Emotionen, die damit einhergehen, die wir nicht wahrhaben wollen, die so schmerzen und das doch meist nur, weil wir sie so lange verdrängt haben! Es sind nur die verknoteten Ideal-Vorstellungen vom ach so perfekten Leben, das nur dann vorzeigbar erscheint, wenn es ausnahmslos aus Höhepunkten besteht. Mal ehrlich, wie unreif ist das denn? Wo steht geschrieben, dass wir mit zunehmendem Alter alles Neue sofort und aus dem FF perfekt bringen müssen? Wo steht geschrieben, dass wir Entscheidungen (welches Spiel wir spielen) nicht revidieren dürfen? Erinnert Euch an Euer Kindsein! Ihr habt einige Zeit gebraucht, um Krabbeln, Laufen und Lesen zu können. Ihr habt Spiele einfach links liegen lassen, wenn sie Euch keinen Spaß mehr gemacht haben. Erlaubt Euch wieder mehr von dieser kindlichen Weisheit. Gebt Euch Zeit, Dinge zu erlernen. Erlaubt Euch zu experimentieren, was Euch und auf welche Art Freude macht, auch wenn das bedeutet, dass das ein oder andere Experiment in die Hose geht. Gestattet Euch frei von Schuldgefühlen, Lebensentscheidungen neu zu treffen und zum Wohle aller – also auch Euch selbst – ab und an zu korrigieren.
Ja, mein altes Konzept ist nicht aufgegangen und ich bin froh darum, es mir eingestanden, mir den Moment der Schwäche erlaubt zu haben. Denn nur deshalb ist es mir heute, nur wenige Tage danach, möglich mit noch mehr Lebensfreude meinen Weg weiter zu gehen, meine Segel neu zu setzen und zu neuen Ufern aufzubrechen. Ob ich wieder scheitern werde? Sollte ich auf dem falschen Dampfer, statt auf der eigenen Yacht sein, bitte ich sogar darum, denn es ist mein Leben und da bin ich der Kapitän!
Liebe LeserInnen, bitte habt keine Angst vor Schwäche, Scheitern, Holzwegen, falschen Dampfern oder Euren dunkelsten Momenten. Das alles gehört zum Leben dazu und ist wert, gemeistert zu werden. Traut Euch, begegnet Euch, outet Euch. Wir sind alle menschliche Wesen und keine perfekt programmierten Maschinen (selbst die geben irgendwann den Geist auf). Solltet Ihr Hilfe brauchen oder Fragen haben, scheut Euch nicht, Euch an andere zu wenden, die damit Erfahrung haben und offen damit umgehen. Wir sind nie und zu keiner Zeit allein. Auch ich bin immer nur einen Klick, eine Entscheidung von Euch entfernt.
Na dann: Gut Wind und Schiff ahoi!
Herzensreiche Grüße,
Eure Kristina