Spendier mir doch einen Kaffee
Beim Schreiben guter Texte wird mein Kaffee leider viel zu oft kalt. Hilf mir, meinen Kaffeevorrat zu füllen.
Marie und Julie, zwei beste Freundinnen in den 30ern, zur Zeit kinderlose Singles. Zwei Freundinnen, die sich so regelmäßig wie es nur geht, in ihrem Lieblingscafé treffen, um bei Milchkaffee und Schokoladentorte ihre Herzen und Bäuche auszuschütten. Geschichten, die vielleicht genau so passiert sind. Oder auch nicht. Heute:
Ein paar Tage sind seit dem letzten Treffen der Freundinnen vergangen. Wieder sitzen sie in ihrem Lieblingscafé. Diesmal an einem Tisch direkt am Fenster. Während sie wie gewohnt Milchkaffee und Schokoladentorte genießen, schauen sie schweigend auf die vorbei eilenden Menschen draußen. Beide hängen den eigenen Gedanken nach. So viel ist in letzter Zeit passiert. Erst begegnet Julie einem neuen Mann, verliebt sich fast ebenso schnell, wie sie sich entlieben muss und auch bei Marie geht es hoch her. Ab und zu blicken sich die beiden an, ohne etwas zu sagen. Sie wissen um ihre Freundschaft, die auch diese stillen Momente trägt. „Unser Lieblingskellner ist heute gar nicht da.“ Mit dieser Feststellung beendet Marie das Schweigen zwischen ihnen.
Julie blickt sich suchend um und nickt zustimmend. Sie schiebt ihren halbvollen Teller von sich und blickt Marie tief in die Augen. „Marie, es ist noch nicht zu Ende.“ Julie spricht also noch immer vom letzten Kennenlernen. „Was ist passiert?“ „Er hat sich doch wieder gemeldet. Immer, wenn ich denke, er hat genug von der Sache zwischen uns, nimmt er den Faden wieder auf und knüpft ihn ein wenig weiter.“ „Das ist doch sicher schwer für dich, oder?“ Besorgt schaut Marie ihre Freundin an. Diese wischt sich müde über die Augen. „Ja. Es fällt mir eh so schwer, das Kapitel abzuschließen. Warum, weiß ich nicht. Und dass er immer wieder präsent ist, aber ebenso schnell wieder auf unbestimmte Zeit abtaucht, macht es nicht einfacher. Ich verstehe weder ihn, noch mich.“ Marie nickt unmerklich. Bevor sie ihren Gedanken zum Thema freien Lauf lässt, beißt sie sich auf die Zunge und überlegt noch einmal. Statt ihre Freundin mit Mutmaßungen oder Empfehlungen zu bombardieren, entscheidet sie sich, erst einmal genauer nachzufragen. Dabei fokussiert sie sich auf ihre Freundin, anstatt auf den ihr Unbekannten.
„Was genau ist los bei dir?“ will sie von Julie wissen. Seufzend antwortet diese: „ Wenn ich das wüsste… Ich weiß nicht, wie oft ich mittlerweile eine Abschiedsnachricht geschickt habe, wie oft ich die Tür hinter mir geschlossen habe. Meistens traurig und friedlich, ihm das Beste wünschend. Ab und zu wütend, am meisten auf mich. Ich weiß nicht, warum ich den Kontakt nicht abreißen lassen kann, warum sich bei jeder noch so kleinen Nachricht von ihm wieder Tore öffnen, statt die geschlossene Tür zu lassen zu können. Ich weiß nicht, ob ich gerade über mich hinauswachse oder ob ich sado-masochistisch veranlagt bin.“ „Du behältst das Thema Selbstwert im Fokus?“ fragt Marie nach. „Ja. Immer und immer wieder hinterfrage ich mich, finde kleine schwarze Löcher, beleuchte sie und finde mehr zu mir. Umso weniger verstehe ich es ja.“
Julie stützt den Kopf schwer auf ihre Hände und schaut unglücklich drein. Am liebsten würde Marie die Freundin schütteln, denn es ist für sie unerträglich, diese sonst so strahlende Frau so zu sehen. Doch aus einem auch ihr unerfindlichen Grund spürt sie, dass zwischen diesen beiden Menschen das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Statt wie früher nun wie wild auf ihre Freundin einzureden, nimmt sie einfach still ihre Hand. Seit die zwei Frauen so anders und viel achtsamer miteinander umgehen, ist ihre Verbindung noch tiefer geworden. Oft haben sie festgestellt, dass die andere nicht die vielen guten Ratschläge braucht, die fast schon automatisiert aus einem herausbrechen. In den meisten Fällen weiß man eh alles selbst. Man weiß um die Probleme, seine Schattenseiten und was zu tun ist oder was man ausprobieren könnte. Was einem meistens fehlt, ist ein aufmerksames Ohr, ein offenes Herz und Raum, mit all seinen Emotionen einen Moment einfach man selbst sein zu können. Was Julie gerade am meisten braucht, ist Nähe, die nicht einengt, die Möglichkeit, ihre Traurigkeit ausleben zu dürfen und so oft mit Marie über das Thema reden zu können, bis sie selbst wieder klar sehen kann.
Dankbar drückt Julie Marie´s Hand. Sie atmet tief durch und schaut ihrer Freundin direkt in die Augen. „Sag mal, was ist eigentlich bei dir los? Ich hatte gestern am Telefon das Gefühl, dass bei dir auch einiges im Argen liegt.“ Das ehrliche Interesse im Blick ihrer Freundin lässt Marie laut aufseufzen. Sie bestellt sich bei der Kellnerin einen neuen Milchkaffee und beginnt, ihrer besten Freundin von den Herausforderungen zu erzählen, die ihr das Leben gerade präsentiert.
Draußen am Fenster des Café´s geht ein Mann vorbei, der einen geübten Blick ins Innere wirft. Er sieht die zwei Frauen ins Gespräch vertieft am Tisch sitzen und sein Herz macht einen kleinen unkontrollierten Hüpfer. Seine Lieblingskundinnen sitzen dort bei Milchkaffee und Schokoladentorte und fast bereut er, heute seinen freien Tag zu haben.