Linkin Park – Sänger Chester oder Depressionen und unsere Gesellschaft

Gepostet von am Jul 21, 2017 in GeDANKEnwelt

Linkin Park gehört zu einer meiner Lieblingsbands. Chester Bennington´s Projekt Dead by Sunrise höre ich ebenso gern, wie die Stone Temple Pilots. Nun ist dieser junge Mann aus dem Leben geschieden und das Entsetzen ist (mal wieder) groß. Aber warum?

 

Linkin Park Konzertkarte und Leben – beides wanderte gestern ins Nirvana

 

Erst gestern warf ich beim Aufräumen eine Konzertkarte von Linkin Park ins Nirvana der Mülltonne. „Die Erinnerung ans Konzert habe ich im Kopf, da braucht es dieses Stück Papier nicht.“ dachte ich mir. Und just gestern warf Chester sein Leben hin. Er empfand wohl, dass es in den Müll oder er ins Nirvana gehört. Ich kann ohne dieses Stück Papier, er nicht ohne sein Leben. „Was bewegt einen jungen Mann wie ihn zum Selbstmord?“ flutet es heute wieder durch die Medien.

Auch wenn Depression mittlerweile eine gesellschaftsfähige Diagnose geworden ist, geht doch immer wieder ein großes Raunen oder Aufheulen durch die Bevölkerung. Vor allem oder hauptsächlich, wenn es die trifft, die wir aus Funk und Fernsehen kennen. Kurz überflog ich die Nachrichten, die zu Hauf durch die Timelines gehen. Betroffenheit auf der einen Seite, Empörung auf der anderen. Mittendrin unzählig viele Menschen, die die Musik lieben.

Erfolg macht nicht zwingend glücklich

 

Otto-Normalverbraucher denkt sich oft, wie glücklich er doch wäre, wenn er berühmt und reich wäre oder wenigstens das machen könnte, was ihm wirklich Spaß macht. Bei Menschen wie Chester hat man nur zu gern den Gedankengang, dass Musik seine Liebe war und er es geschafft hat, sein Hobby zum Beruf zu machen. Er war erfolgreich mit seinen Musik-Projekten, doch glücklich war er ganz offensichtlich nicht.

Nun gibt es zwei Gründe, warum mich dieses Thema in meiner Mittagspause umtreibt. Zum einen begegnet mir seit geraumer Zeit der Tod wieder sehr oft. Ob in Gesprächen, in den Medien oder im übertragenen Sinne im eigenen Dasein. Zum anderen merke ich, wie mir der gesellschaftliche Umgang mit den Themen Tod, Selbstmord und Depression mal wieder auf den Magen schlägt.

 

Die einzigen Sicherheiten sind das Leben und der Tod

 

Es ist für mich immer wieder überraschend, schockierend bis dumm, wie ignorant viele Menschen dem Tod gegenüberstehen. Je nach eigener Stimmungslage, kann mich diese Beobachtung mitfühlend lächeln, verständnisvoll nickend oder fuchsteufelswütend machen. Da sind wir Menschen getrieben von einer Sucht nach Sicherheit. Wir verlassen weder krankmachende Lebenskonzepte, müde machende Jobs oder nervenaufreibende Beziehungen, nur aus der Illusion heraus, irgendwelche Sicherheiten zu haben oder zu brauchen und ignorieren dabei die augenscheinlichsten Sicherheiten, die dieses Leben uns zu bieten hat:

Solange wir atmen, sind wir am Leben (und können damit anstellen, was immer uns gefällt)!
Egal, was wir aus diesem Leben machen, es kommt der Tag an dem es endet, für jeden von uns.

Wir stolpern durch die Tage und Nächte unseres Daseins, auf der Suche nach irgendwas oder irgendwem. Oder wir versuchen uns weiszumachen, dass alles so bleibt, wie es ist, weil uns das nun mal gerade so recht gut in den Kram passt. Wir klammern uns an Materielles, an Statussymbole, an Gurus oder Vereine, befeuern unsere Vorlieben oder ignorieren sie. Wir sehnen uns nach häuslicher, emotionaler, physischer und psychischer Sicherheit und sind doch nur selten bereit, zu akzeptieren, dass wahre Sicherheiten nun mal ganz anders aussehen.

 

Depressionen sind kein Spaß

 

Chester bereitete, wie so viele vor ihm, seinem Leben ein Ende. Weil er unter Depressionen litt. Ich sage Euch: Er wird nicht der letzte sein. Weder der letzte Prominente, noch der letzte Mensch, der dieser Dunkelheit zum Opfer fällt. Viele Menschen, die ich kannte oder kenne, litten oder leiden unter Depressionen, wenigstens hin und wieder an depressiver Stimmung. Ich kann ihnen nur allzu gut nachfühlen. So sehr die Gesellschaft nun wieder das Diskutieren über Depressionen beginnt, in Wertungen  oder (Selbst-)Mitleid versinkt, so sehr ist sie mitverantwortlich für diesen Mist.

Wer ist denn die Gesellschaft? Das bist Du und ich, unsere Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen. Das ist jeder, der uns heute im Supermarkt oder an der Tankstelle begegnet. Und jetzt frage Dich mal, wie Du mit dem Thema Depression im Alltag umgehst. Wie ist Deine Einstellung zum Tod und zum Leben? Wie gut kannst Du mit Menschen umgehen, die der dunklen Seite manchmal näher sind, als dem so oft gepriesenem Licht? Wie offen bist Du überhaupt für die Befindlichkeiten Deines Umfeldes und wie ehrlich Dir selbst gegenüber, was Deine Lebenslust oder Todessehnsucht betrifft? Darf all das sein? Hat all das Raum? Oder deckelst Du nicht auch so manche finstere Stimmung oder meidest Menschen, die nicht so funktionieren, wie es gebraucht wird, um selber im Trott bleiben zu können?

Depressionen sind kein Spaß. Sie sollten ärztlich betreut werden. Doch so eine zu behandelnde Depression kommt nicht über Nacht. Und ich befürchte, dass viel mehr Menschen unter ihnen leiden, als es ausreichend Ärzte zum Behandeln gibt. Depressionen sind in meinem Verständnis psychische Störungen, denen eine offene, mitfühlende, raumgebende und stützende Gesellschaft bestimmt oftmals den Nährboden entziehen könnte, wären wir nicht alle derart neurotisch, system- und Komfortzonen-Sofa-treu unterwegs.

 

Was können wir tun?

 

Ich weiß nicht, was genau z.B. Chester bewegt hat, seinem Leben ein Ende zu setzen. Ich weiß nicht, was so manchen in Süchte und in Vermeidungsstrategien treibt, welcher Seelenplan da vielleicht dahinter steckt. Doch ich bin fest überzeugt, dass wir durch ein mitfühlenderes Miteinander und das offene Zeigen der eigenen Persönlichkeit so manchem Grauen den Schrecken nehmen können, sich manches dadurch nicht bis zum Drama hochspult.

Und durch meine eigene Erfahrung kann ich Euch sagen: Akzeptieren wir verdammt nochmal endlich den Tod als lebensgegebene Sicherheit. Freunden wir uns mit ihm und unserer Endlichkeit an, damit wir endlich Zugang zu wahrer Lebensfreude finden und zumindest versuchen, aus jedem Tag das Beste zu machen, auch wenn der eine oder andere mal Scheiße verpackt ist. Als lebensfrohe Gesellschaft bekommen wir das dann gut aufgefangen!

RIP Chester. Und allen, die betroffen sind: Habt Mut, Euch zu zeigen! Vielleicht gibt es mehr helfende Hände in Eurer Umgebung, als Ihr denkt.

 

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