Spendier mir doch einen Kaffee
Beim Schreiben guter Texte wird mein Kaffee leider viel zu oft kalt. Hilf mir, meinen Kaffeevorrat zu füllen.
Tust du Dinge, die dich begeistern? Ja? Herzlichen Glückwunsch! Es ist großartig, begeisterungsfähig zu sein! So wie wir als Kinder waren, da uns ein Schmetterling in völlige Verzückung versetzen konnte und wir ihm stundenlang auf einer Wiese hinterher gerannt sind, nur um staunend stehen zu bleiben, setzte er sich für einen kurzen Augenblick auf eine Blume. Ich liebe es, begeistert zu sein. Ich liebe es, wenn Dinge, Themen, Begegnungen voller Geist sind und meinen Geist nähren. Doch wie in allem steckt auch hier der Geist bzw. Dämon im Detail, bringt auch dieses Licht unweigerlich seinen Schatten gleich mit.
Tust du Dinge aus dem Gefühl heraus, das scheinbar Freude und doch immer wieder Lust auf mehr macht? Begeisterst du dich heute für dieses und morgen für jenes? Bist du während einer Ausbildung schon wieder Feuer und Flamme für das nächste Thema? Ist dein Wissensdrang scheinbar unstillbar? Dann halte einen Moment inne und frage dich nach dem Motiv deiner Begeisterung, dem wahren Grund für deinen Hunger. Welchen Namen gibst du deinem Motiv? Ist es Leidenschaft? Oder Intensität? Vielleicht musst du ganz genau und einen langen Moment hinein spüren, um deine ganz eigene Antwort zu hören. Nimm dir diese Zeit, es lohnt sich. Vielleicht erfährst du etwas über dich, das dir ermöglicht, dich ab sofort bewusst zu sättigen und Löcher zu füllen, von denen du noch keine Kenntnis hattest.
Mir sind schon jede Menge Menschen begegnet, die Unmengen an Ausbildungen, Seminaren und Workshops absolviert haben und/oder permanent neue erstellen und anbieten. Daran ist per se nichts Schlechtes. Das gilt es nicht zu bewerten, was mir obendrein weder zusteht, noch mein Ansinnen ist. Ich persönlich zähle mich eher zu den Autodidakten, die sich selbst und auf eher unüblichen Wegen beibringen, was sie wissen wollen. Ich lese mal da rein, höre mal da zu. Ich finde das Warten auf ein Seminar und meist auch die dann folgende Ausbildungsdauer viel zu lang ins Verhältnis gesetzt zum Wissensgewinn. Wenn ich etwas wissen will, will ich es meist in genau diesem Moment wissen oder erfahren, nicht erst in ein paar Wochen oder nach Absolvierung eines Zertifikates, welches jenen, die es sehen schon immer mehr bedeutet als mir selbst, die es bekommen hat. Ich tue mich schwer, Seminare in meiner LebensKunst zu erstellen, sind doch die Bedürfnisse der von mir Lernwilligen so individuell, wie die Menschen selbst. Mein Wissensschatz erweitert sich täglich, manchmal gar stündlich und mit ihm das Portfolio, das ich zu bieten habe. Ich finde eigene Konzepte so schnell überholungsbedürftig, dass mir das Aufschreiben müßig erscheint. Umso mehr ich weiß, umso klarer wird mir obendrein, dass ich nichts weiß. Wohl eher ein außergewöhnliches Lehrkonzept, oder? Doch zurück zu den Motiven unseres Lernens bzw. der Begeisterung dafür.
Für mich ist das Leben eine einzige Schule. Jeder einzelne Moment kann eine Unterrichtsstunde sein. Ich habe einen großen Wissensdrang, bin oft schnell begeistert und manchmal ebenso schnell wieder aus der Thematik raus, vielleicht sogar von ihr gelangweilt oder habe mir in Windeseile das für mich Passende herausgezogen. Ich bilde mich jeden Tag weiter, lerne gern Neues, schule mich in einzelnen Techniken, die jedoch selten genau so bestehen bleiben, wie ich sie von anderen erlernt habe. Doch etwas hat sich in den letzten Jahren geändert. Erst neulich wurde mir in einem Gespräch klar, was heute den Unterschied macht. Es gibt (übrigens nicht nur beim Thema Begeisterung) einen feinen Unterschied, der für den Nutzen des Lernens, für die Qualität und Tiefe der Ergebnisse zuständig ist.
Zum einen ist entscheidend, ob du eine Technik und ihre Anwendung erlernst und sie als Werkzeug betrachtest oder ob du dich zum Werkzeug einer Technik (eines Gurus, von Ritualen oder sonstigem) machst. Zum anderen, und darauf mag ich heute eingehen, ist das Motiv entscheidend, das dich voller Begeisterung zum nächsten Seminar o.ä. führt. Ist es Leidenschaft, die dich antreibt? Oder ist es Intensität, die dich in ein Meer des Wissens eintauchen lässt ? Und ist es dein Meer oder das eines anderen? Kehrst du am Ende immer wieder zu dir zurück? Und kannst du das Lernen auch mal sein lassen? Fühle mal hinein in deinen Wissensdrang. Ist er ein Trieb, der dich treibt, den zu steuern es Kontrolle braucht? Oder ist dein Wissensdrang ein ruhiger Begleiter, der sich meldet, wenn es das Leben, der Alltag und all seine kleinen Momente erfordert? Ist dein Wissensdrang wirklich Interesse an den Dingen und Menschen oder nur eine Ansammlung von Immateriellem, von Techniken, die du dann doch nie benutzt? Oder ist dein Wissensdrang so unersättlich, weil du auf der Suche nach Antworten bist, deren Fragen sich meist auf anderem Gebiet finden lassen, als da wo du sie suchst?
Ich erlaube mir mittlerweile, in mich einzutauchen, abzutauchen und wieder aufzutauchen, wenn ich wieder Luft zum Atmen brauche oder die Perlen am Grunde des Meeres gefunden habe. Ich lasse mich nicht mehr von etwas treiben, das mit Leidenschaft Leiden schafft, das ich neben dem Atmen, Ein- und Abtauchen kontrollieren müsste. Ich vertraue mir, dass ich in meinem Alter weiß, welche Lebensthemen wirklich wichtig sind für mich und darauf, dass ich mich an das bereits vorhandene Wissen erinnere, wenn ich es brauche. Ich bin achtsam in Begegnungen und Gesprächen, spüre Impulse, die Neues in mir wachrufen, vielleicht auch mal zu einem Seminar oder Workshop animieren. Doch ich bin nicht mehr leidenschaftlich auf der Suche nach Wissen und Techniken, nach Antworten auf Fragen, die, wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, doch nur aus mir selbst kommen können und deren Antworten genau da zu finden sind, wo die meisten von uns nicht abtauchen wollen. So oft liegen die Antworten, die wir im Leben suchen in unseren Herzen. Als mir das bewusst wurde, endete meine leidenschaftliche Suche nach Antworten im Außen. Es begann die Zeit der Intensität. Ich hörte auf, hungrig zu sein und begann mich und meinen Geist nachhaltig zu nähren.
Bevor ich heute ein Seminar oder einen Workshop besuche, von dem ich mir Antworten oder Wissen erhoffe, tauche ich in mich ein und ab, kläre meine Fragen und lasse mein Herz antworten. Sind die Antworten nicht deutlich, frage ich Menschen um Rat. Ich interessiere mich intensiv für sie und ihre Geschichten, die oftmals schon Antwort genug sind. Keine Begegnung, nichts, was im Leben geschieht, ist Zufall, sodass mir immer der passende Lehrer begegnet. Das Leben, der Alltag mit all seinen Ereignissen und Begegnungen sind meine Schule. Jeder, der mich in irgendeiner Form berührt ist mein Lehrer, sei es ein Hund, ein Mensch oder Baum. Alles, was mir andere mit einer bestimmten Absicht beizubringen versuchen, ohne dass ich wirklich offen für dieses Wissen oder überhaupt im richtigen Unterrichtsfach bin, ist für beide vertane Zeit. Gleiches gilt, wenn ich in der Lehrerrolle bin oder denke, in ihr zu sein.
Kein angeeignetes Wissen, keine erlernte Technik hat auch nur im entferntesten einen Sinn, wenn sie nicht im täglichen Leben bewusst angewendet wird oder jederzeit und allerorts angewendet werden kann. Wie viel Wissen sammeln wir uns von Außen an, ohne es jemals wirklich anzuwenden? Wieso denken wir noch immer, andere wüssten mehr und besser bescheid über das, was in unserem Leben wichtig ist? Wieso denken wir so oft, wir hätten noch nicht genug Wissen angesammelt? Wieso denken wir so oft, wir wissen nicht genug? Vielleicht, weil wir so wenig Wissen wahrhaft fühlen?
Für mich ist mit Motiv Leidenschaft Erlerntes oftmals nur eine weitere Anhäufung auf einem Weg der nie enden wollenden Suche und des Mangels. Etwas, das mit viel Intensität erlernt und erfahren wird, geht uns so tief, dass seine Anwendung fast von allein geschieht und aus sich heraus für Fülle sorgt. Von Leidenschaft motivierte Begeisterung ist für mich Suche und letztlich ein Mißtrauensvotum an uns selbst. Schule ich meinen Geist mit Intensität, mit einer intensiven Begeisterung, finde ich oft mehr, als ich zu suchen glaubte, natürlich ab und an auch über ein Seminar o. ä. .
Ich zolle jedem, der sein Wissen in Seminaren o. ä. zur Verfügung stellt und jedem der sie besucht, meinen Respekt. Ich stelle nur die Frage in den Raum: Was ist dein Motiv? Lernst oder lehrst du um des Lernen bzw. Lehrens willen? Bist du dabei, einer Leidenschaft zu folgen oder dabei, die Intensität deines Lebens zu vertiefen? Vielleicht intensivierst du leidenschaftlich oder leidenschaftlich intensiv. Was und wie immer du es tust, möge es dich auf alle Fälle mit Begeisterung und deinen Geist nähren und finden lassen, was wir vielleicht alle in Wirklichkeit suchen: den Weg zu unserem Herzen, der uns in die Herzen anderer führt.