Spendier mir doch einen Kaffee
Beim Schreiben guter Texte wird mein Kaffee leider viel zu oft kalt. Hilf mir, meinen Kaffeevorrat zu füllen.
Es waren Wahlen in Griechenland. Und ein Mensch namens Alexis Tsirpas hat gewonnen. Ich habe die Angelegenheit nur am Rande verfolgt. Viel wurde auf Facebook gepostet und nach der Zusammenstellung meiner Kontakte und Seiten-Likes ergibt sich mir ein Bild. So behaupte ich, ohne weitere Recherche betrieben zu haben, folgendes: Alexis Tsirpas vertritt eine volksnahe Politik. Ich nehme weiterhin an, dass er die Krise Griechenlands nicht auf seine faulen Mitbürger zurückführt, sondern auf ein Amerika-sympathisierendes, korruptes Europa-Bündnis, das sich Staaten einverleibt, wiederkäut und mit noch größeren Staatschulden als vorher wieder ausspuckt. Für die Nachwehen werden dann die Einverleibten verantwortlich gemacht und ihrem Schicksal überlassen. Sollte diese meine Einschätzung auch nur in groben Ansätzen stimmen, erklären sich mir die scheinbar vielen europaweiten Sympathisanten aus den Reihen der Bürger und solche Titelblätter, vergleichsweise weniger Magazine, wie das eines in Deutschland (wohl gemerkt von Bürgern) oft gekauften.
Jenes titelt in seiner aktuellen Ausgabe mit einem Foto von Alexis Tsirpas, in einer dem Leser abgewandten Haltung und der wie folgt beschrieben gestalteten Überschrift: In sehr kleiner Schrift: der neue griechische Staatschef sei ein Albtraum für Europa und es titelt in großen Lettern, er sei ein Geisterfahrer. Fürsprechern und Gegnern reicht dieses Titelbild vielleicht schon, um nun in endlosen Debatten unzählige Meinungen zu äußern und Lager zu bedienen oder gar zu fordern. Ich bleibe vor diesem Bild sitzen und grinse mir eins, denn ich lese etwas heraus, das mich völlig entspannt bleiben lässt, mich nicht veranlasst, mit wedelnden Fäusten anzugreifen oder zu verteidigen. Denn für mich sagt dieses Titelbild etwas aus, dass wahrscheinlich von den Machern so nicht gemeint war, jedoch deutlich sichtbar ist.
Klein die Anzahl derer, für die er ein Albtraum ist, sollte er tatsächlich dabei bleiben und Politik fürs Volk, die nun mal nicht Europa-Bündnis- oder Amerika-orientiert ist, machen wollen. Sehr viel größer die Anzahl derer (und meist dem Volk zugehörig, statt im Europaparlament sitzend), die das wohl gut finden würden und somit auch per Benennung des Magazins Geisterfahrer seien. Ich meine, dass ein Geisterfahrer nicht perse und landläufiger Wortbenutzung einer ist, der auf der falschen Seite unterwegs ist. Hier steckte schon die erste persönliche und irreführende Wertung drin. Alles hat seine Daseinsberechtigung, also auch die eine und die andere Fahrtrichtung. Welche nun für jeden einzelnen die passende ist, kann nur ein jeder für sich entscheiden. In puncto Politik für mich ein richtig oder falsch zu definieren, finde ich sehr schwierig, da in diesem Rahmen andere tätig sind und so bewerte ich eigentlich ihr Tun, nicht das, was ich mir vorstelle, das sie zu tun hätten, geschweige denn mein eigenes Handeln.
Für mich ist nun also die geläufige Wortnutzung des Geisterfahrers nicht hilfreich und so gehe ich hin und schaue mir das Wort als solches an. Geisterfahrer ist demnach einer, der mit Geist fährt. Ja prima. Dann hat doch dieses Magazin alles geschrieben, was die Mehrzahl zu meinen scheint. Einige wenige, die sich klar vom Geisterfahrer distanzieren (was ihnen übrigens scheinbar Albträume verursacht), sehen sich von einer großen Menge Menschen konfrontiert, die mit dem Geist fahren, also denkend und im besten Falle gleichermaßen fühlend unterwegs sind, die in der Lage sind, über den Tellerrand zu schauen und das nicht nur mit Weitblick, sondern auch mit klarerer Sicht.
Ich gehe davon aus, dass die Macher dieses Titelbildes nicht zufällig gewählt haben, sonst hätten sie auch ein süßes Katzenbild oder eine Mondaufnahme nehmen können. Und so stelle ich noch diese Frage in den Raum: Wem zeigt Herr Tsirpas hier die kalte Schulter, den wenigen Albträumern oder den vielen mit dem Geist fahrenden? Ich nehme obendrein an, dass dieses Foto höchstwahrscheinlich aus irgendeinem anderen Grund gemacht wurde, Herr Tsirpas damit also keineswegs Stellung zur darübergeklebten Titelzeile nimmt. Ob sein fast schon fies anmutender Blick nicht vielleicht doch ein Ergebnis von Photoshop ist, frage ich mich auch, doch wer weiß. Dies für mich wahrhaft zu beurteilen, ist mir hier mit meinem Morgenkaffee in der Hand eh nicht möglich. Doch statt nun über manipulierende Lügenpresse zu schimpfen, schaue ich mir deren Produkte mit wachem Geist an und bilde mir meine eigene Meinung. Statt mich für jemanden, mit dem ich nicht ein persönliches Wort gesprochen, keine seiner Taten mit eigenen Augen gesehen habe und der von diesem Titelbild vielleicht gar nichts weiß, in die Presche zu werfen und ihn oder etwas wofür er eventuell stehen könnte, wegen dieses vermeintlichen Angriffes zu verteidigen, bleibe ich friedlich, kann mir dieses Titelblatt, ja gar dieses Politikgeränke gerade nichts anhaben.
Ich habe keinen Bock mehr auf dieses Opfer-Täter-Kriegs-Spiel. Auf dieses Spiel, da jemand scheinbar provoziert und ich mich aus den allerersten konditionierten und persönlichen (!) Gedanken und Emotionen heraus auf irgendjemandes Seite schlage und mit den Fäusten wedele. Ich nehme es als das, was es ist: ein anderer Mensch hat etwas geschaffen, eine (im besten Falle sogar seine eigene) Meinung kund getan und ich schaue mir durch all meine eigenen Filter an, was es mit mir macht. Dann entscheide ich, wie ich darauf reagiere und lasse dabei immer öfter meinen Geist fahren, anstatt mich über den Albtraum eines anderen aufzuregen.
Wohl denn, immer schön wach sein, denn wir sitzen jeden einzelnen Moment am Steuer unseres eigenen Lebens und entscheiden, wer oder was lenkt und es wäre doch fatal, wenn wir auf die für uns falsche Spur kämen, oder? Gute Fahrt Euch allen!
Mir juckts in den Fingern und möchte am liebsten erweitern: Gute Fahrt Euch allen – besonders denen die geistreich „fahren“ und besonders denen, die nicht auf breiten Massenwegen unterwegs sind sondern auf neuen dringend benötigten geistreichen Pfaden (und damit neue Wege für die Nächsten bereiten)
…und vor allem für Dich, liebe Kristina, gutes Ankommen in Deinem Jahr des Ankommens 😉
Von Herzen DANK, Michael! ☼