Spendier mir doch einen Kaffee
Beim Schreiben guter Texte wird mein Kaffee leider viel zu oft kalt. Hilf mir, meinen Kaffeevorrat zu füllen.
Kennt Ihr das auch? Da wache ich morgens auf, nach einer Nacht, die es irgendwie in sich hatte. Ich war oft wach, hatte viele Traumbilder und irgendwann den Wunsch, diese Nacht möge doch endlich vorbei sein. Das nächste Erwachen und der Blick auf die Uhr verraten mir, dass ich, trotz gefühlter innerer Hab-Acht-Stellung, nicht mitbekommen habe, wie meine Gastgeberin aus dem Haus gegangen ist. Bettdecke zurück, etwas dehnen und strecken und bemerken: ich bin noch nicht anwesend. Die nun folgenden Handgriffe in Bad und Küche gehen wie von selbst, ohne dass ich das Gefühl habe, wirklich da zu sein. Es ist, als beobachte ich mich dabei. Und während ich mich wasche, mir einen Kaffee koche und das Notebook anwerfe, bin ich zwar irgendwie sehr bei mir, doch eben irgendwo anders. Mein Körper fühlt sich an, als wäre ein Traktor darüber gefahren und der Fahrer desselben hat entschieden, dass auf mir dann auch noch gut parken ist. So sitze ich da, übe mich in meditativem Atmen, spüre meinen bleiernen Körper (lasst Euch sagen, so ein Traktor ist gut schwer), nippe an meinem duftenden Kaffee und versuche, dieses nicht ganz unbekannte Fühlen meines Seins greifbar zu bekommen. Leicht und ohne Anstrengung, einfach, weil ich zu etwas anderem noch nicht in der Lage bin und gerade auch gar nichts anderes zu tun habe.
Schwer wie mein Körper fühlen sich auch meine Augenlider an. Die Augen gesschwollen, die Schultern hängend. Von dem, was da unterhalb kommt, ganz zu schweigen. Ich fühle mich im Moment unschön. Worte und Bilder blitzen immer wieder mal hell in diesem Zustand auf, ohne einen scheinbaren Zusammenhang, ohne offenkundigen Sinn. Trance, Yoga, luzid, Träume. Bilder und Namen von Menschen tauchen auf und ebenso schnell wieder ab, doch immer lang genug, um gesehen zu werden. Mein Verstand ist noch nicht in der Lage, irgendetwas mit der Situation anzufangen. Als hätte ihn jemand in Watte gepackt. Der grobstoffliche Raum um mich ist zwar da, doch ich fühle mich weit darüber hinaus. Der Ausspruch „ich bin nicht ganz bei mir“ kommt mir ein. Doch irgendwie stimmt das nicht. Ich spüre meinen Körper, meine, wenn auch etwas flache Atmung. Ich weiß, wo ich hier bin und in ein paar Tagen wahrscheinlich sein werde, weiß, wen ich heute anrufen will und dass ich meiner Gastgeberin ein Mittagessen kochen werde. Und doch ist etwas von mir noch ganz woanders. Es ängstigt mich nicht, doch einen Drang, es unbedingt herausfinden zu müssen, nehme ich auch nicht wahr. Ich höre die Bauarbeiter auf der Strasse unten miteinander reden, verstehe ab und an sogar was sie sagen und doch ist es, als wären sie Trilliarden von Lichtjahren entfernt.
Dieser Zustand fühlt sich seltsam an. Wieder tauchen Namen und Menschen vor meinem geistigen Auge auf. Es sind fast ausnehmlich Personen, an die ich seit Jahrzehnten nicht gedacht habe oder von denen ich mich in den letzten paar Jahren verabschieden musste. Musste, nicht unbedingt wollte. Zu ein paar wenigen habe ich im Moment nicht mehr als eine Idee, was ich mit ihnen überhaupt zu tun hatte.
Ob es mit diesen Menschen etwas zu klären gibt? Oder ob sich energetisch etwas tut, das in sich schon die Lösung des Ganzen ist? Oder ob ich … Aha, da sind sie wieder, meine Fragen. Guten Morgen Verstand! Tatsächlich spüre ich, wie er beginnt, Bilder, Namen, Worte zusammenfügen zu wollen, Zusammenhänge finden will. Auch die Wahrnehmung meines Körpers, meiner Energien verändert sich. Alles kommt langsam wieder zu mir. Die Augen sehen klarer, die Schultern und der Rest bekommen wieder Sprungkraft. Schön, nein, schön fühle ich mich noch immer nicht. Doch was ist schon Schönheit? Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Schmunzelnd räkele ich mich, brühe mir einen zweiten Kaffee auf. Eine nette halbe Stunde war das, so ganz mit mir, wenn ich nicht bei mir bin. Lachen muss ich nun. Ich bin schon eine verrückte Nudel. Und welch ein Luxus das ist, mir diese Zeit für mich zu nehmen. Fröhliche Dankbarkeit erfüllt mich. Mein Verstand versucht nur ganz vage, mir die Analyse des eben Erlebten vorzuschlagen. Er legt mir sehr zögerlich Fachwissen, Erfahrungen, Meinungen hin, wohl ob meines Lächelns wissend, dass ich ihn liebevoll zurückweise.
Die Dinge sind, wie und was sie sind, nicht mehr, nicht weniger. Was genauer angeschaut werden will, wird sich klarer zeigen. Dieses Leben will nicht analysiert, sondern gelebt werden. Nun denn, guten Morgen Leben! Immer noch schmunzelnd rolle ich die Yogamatte aus, stelle mich mit geschlossenen Beinen an den Anfang der Matte. Ich lege die Hände auf Höhe des Herzens zusammen und danke für einen neuen, lebendigen Tag.
Schön, wie du das geschrieben hast, liebste Kristina – ich bin mir sicher, da können sich viele hineinversetzen, mit- und nachfühlen, die auch nicht immer so ganz bei sich sind. Sehr schmunzeln musste ich, als ich las, dass die Schultern wieder Sprungkraft bekommen haben. Das würde ich gerne mal seh’n… – ist nur die Frage, ob ich dann schneller wieder zu mir kommen würde… oder eher länger brauchen würde, weil ich noch nie solch herrlich springende Schultern gesehen habe… Lass‘ es dir gut gehen, du hast es verdient! Sonnige Grüße!
Ja Sonja, so eine springende Schulter kann schon Spass machen 😀
Danke für Deine Zeit, die Du mir geschenkt hast und die feinen Worte.
Alle(s) Liebe für Dich.